Aus: Deutsche Kunst und Dekoration, H. 7-8 1919,S. 17ff

ERICH WASKE - BERLIN. 

von DR. HANNS SCHULZE

Auf den letzten Sezessions - Ausstellungen der Zeit vor dem Kriege in Berlin fielen regelmäßig einige Bilder auf, die ein junger deutscher Maler in Paris gemalt hatte. Sorgfältig ausgeführte, mattfarbige Bilder, überwiegend zeichnerischer Struktur, die irgendwie an Werke Henri Rousseaus erinnerten, die aber doch bei näherer Betrachtung gar nichts mit den Werken dieses Künstlers gemein hatten. Das Innere einer Brasserie; ein Bild, das sichere Technik, ungewöhnlich starkes Formgefühl und viel Geschmack in der Komposition verriet. Eine Reihe von Menschen an Tischen, jedes einzelne Gesicht, jeder einzelne Körper, die Tische, jedes Glas, der Knopf einer Uniform, die Spiegel und Stühle mit der gleichen Liebe gemalt, und zu einer Einheit gebannt, die entfernt von jeder impressionistischen Tendenz ein starkes Ganzes ergab. — Ein Hof mit kümmerlichen Bäumchen, ein paar Gartenstühlen, einigen Blumen und einem Brunnen an einer grauen Mauer, darüber ein trüber Himmel, das war der Inhalt eines anderen Bildes. Ein paar graue Wände, Schornsteine und Dachluken, eine Regenrinne und wiederum ein Stück grauer Himmel das Dritte. Alle diese Bilder mehr gezeichnet als gemalt und doch von feinstem malerischen Reiz, von starker Wirkung.

1906/08 war der junge Künstler Schüler der Berliner Akademie und hatte 1912 seine Studien in Paris fortgesetzt. Damals schon hatte er ein „Selbstbildnis als Einjähriger" geschaffen, das ebenfalls auf der Sezessionsausstellung zu sehen war und das starken Eindruck hinterließ. Man erkannte, daß man es mit einem Künstler zu tun hatte, der eigene Wege zu suchen und zu schreiten berechtigt war. Der Krieg riß ihn aus aller künstlerischen Arbeit heraus. Von Kriegsausbruch bis zum Jahre 1917 blieb er im Felde, bis ein Nervenleiden ihn zur Rückkehr in die Heimat zwang. Jetzt widmete er sich wieder ganz seiner Kunst. Und, waren es die Eindrücke des Krieges oder Beeinflussungen von anderer Seite, jedenfalls seine Kunst hatte ein anderes Gesicht bekommen.

War das Hauptkennzeichen der früheren Bilder ein fast miniaturhaftes Eingehen auf das Detail, so begann sich jetzt in seinem Schaffen ein Zug zu Monumentalität und Größe geltend machen. Fast mehr noch als in den Bildern zeigt sich dieser monumentale Charakter seiner Kunst in den Zeichnungen, die er fast regel­mäßig als Vorstudien für seine Bilder auffaßt. Diese Zeichnungen sind von einer Klarheit, Luftigkeit und Qualität der Komposition, die öfter noch bei dem ausgeführten Gemälde vermißt wurde. Denn war ursprünglich Waske auf einen grauen Allgemeinton seiner Bilder ausgegangen, so bevorzugt er jetzt schwere trockene Farben, ein dumpfes Rot, ein schweres fast schwarzes Grün, ein trocknes Gelbbraun und in letzter Zeit ein aufgelichtetes Violett. Der Kontur, der in der Zeichnung klar und fließend scheint, wurde in den Bildern aufgelöst, zerrissen und unscharf, bis Waske sich in den letzten Werken des Jahres 1918 und 1919 zu einer Klarheit des Kontur durchrang, die bisher im Schaffen des jungen Künstlers nicht vorhanden gewesen. Das „Bildnis meiner Frau" auf dem Balkon über den nächtlichen See mit den steilen Gebirgen im Hintergrund, „Die Umarmung" sind Beispiele der vereinfachten Linienführung, die jetzt seiner Kunst eigen ist. Die Farbe ist satter, kräftiger und schwerer geworden, die einzelnen Formen werden stärker hervorgehoben und akzentuiert, das Ganze durch einen gemeinsamen Ton zusammengehalten. Wenn das Bildnis seiner Frau mit der Mondscheibe im Hintergründe noch etwas Konventionelles und am Individuellen haftendes besitzt, ist das Bild seiner Frau vor dem See  absoluter, klarer und reiner gestaltet. 

Stärker aber noch als in seinen Porträts zeigt sich bei Waske sein ausgeprägt expressionistisches Kunstwollen in seinen Landschaften, von denen eine, und zwar eine der reifsten, eine „Landschaft aus Pommern" soeben die Berliner National- Galerie ab eines der ersten neueren Bilder erwarb. Diese Landschaften, von denen die abgebildete „Elblandschaft" ein ausgezeichnetes Beispiel ist, sind klar und groß komponiert. Alles Überflüssige ist weggelassen und nur der starke Natureindruck als solcher zur malerischen Darstellung gebracht.

In der letzten Zeit hat sich Waske vornehmlich mit religiösen Themen beschäftigt. Ein „Gottvater über den Wassern" zeigt eine ins Expressionistische übertragene Anlehnung an Michelangelo; eine großfigurige „Kreuzigung" ist trotz sehr gelungener Einzelheiten und tiefer Empfindung als Ganzes nicht vollkommen. Die Eindrücke der russischen Revolution verdichteten sich ihm zu einem Riesenbilde „Chaos", das in fast unerträglicher Drastik die Schrecken des Bruderkrieges zu bannen sucht. Eine Reihe sehr gelungener Zeichnungen zu den Offen­barungen Johannis, die in Buchform erscheinen sollen, sind die letzten Arbeiten des jungen Künstlers. Sie zeigen ihn noch klarer,  bewußter auf dem Weg zur Monumentalität als in seinen letzten Bildern.

Wird Waske noch letzte Schwächen der Koloristik ablegen, wird er zu größerer Geschlossenheit und Einheit gelangen, so können wir in ihm einen der hoffnungsvollsten der Berliner jüngeren Künstler begrüßen.

h. sch.